«Wir müssen uns von der Förderung der industriellen Logik wieder lösen»

Mit ihrer Agrarpolitik will die Schweiz unterschiedliche Ziele unter einen Hut bringen: die Produktivität der heimischen Landwirtschaft fördern und gleichzeitig die festgelegten Nachhaltigkeitsziele erfüllen. Wie daraus Zielkonflikte wurden, ist im Zusammenhang mit den Agrarinitiativen von Bedeutung. Denn soll der Sektor flott für die Zukunft werden, gilt es, die Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen. Bettina Scharrer, Agrarhistorikerin am CDE, erklärt, wie sich die synthetischen Pestizide etablierten und warum die Schweiz heute die dritthöchste Tierdichte Europas aufweist.

«Es ist ein Widerspruch, immer noch günstiger und gleichzeitig ökologisch produzieren zu wollen»: Bettina Scharrer. Foto: CDE


Interview: Gaby Allheilig

An die Landwirtschaft werden sehr viele verschiedene Anforderungen gestellt: Sie soll uns mit genügend gesunden Lebensmitteln versorgen, ökologisch produzieren, das Tierwohl ins Zentrum stellen, schöne Landschaften erhalten und gleichzeitig möglichst produktiv, effizient und wettbewerbsfähig sein. Wie kam es zu diesen Zielkonflikten, Bettina Scharrer?

Der Ursprung dieser Zielkonflikte liegt in der Tatsache, dass die Landwirtschaft im Verlauf des 20. Jahrhunderts immer stärker einer industriellen Logik und Produktionsweise unterworfen wurde. Stark fossilbasierte Inputs, die Chemisierung mit Kunstdünger und Pestiziden, die Motorisierung, aber auch forcierte Spezialisierung und Hochleistungszucht bei Tieren und Pflanzen führten zu den bekannten ökologischen, sozialen und ethischen Problemen.

In den 1990er Jahren wurde im Zuge der 8. Welthandelsrunde in Uruguay die Schweizer Agrarpolitik neu ausgerichtet, um sie an die Anforderungen einer sich immer stärker liberalisierenden globalen Agrarproduktion mit offenen Märkten anzupassen. Anstelle produktebezogener Subventionen und Abnahmegarantien, wurden flächenbezogene, produkteunabhängige Direktzahlungen eingeführt. Da sich gleichzeitig die massiven Umweltprobleme nicht weiter ignorieren liessen, wurden ökologische Mindestanforderungen gesetzt und zusätzliche Anreizsysteme geschaffen. In der Gesetzgebung spiegeln sich diese Prozesse in der Forderung nach «mehr Markt» bei gleichzeitig «mehr Ökologie».

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«Die industrielle Logik in der Landwirtschaft bezahlen wir mit der Zerstörung der natürlichen Ressourcen»

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Warum verträgt sich die Landwirtschaft nicht wirklich mit der industriellen Logik?

Die Landwirtschaft funktioniert nach einer anderen Logik. Ihre wichtigste Produktionsgrundlage sind lebendige, organische Ressourcen. Sie ist abhängig von der Saison, dem Wetter und von Wachstums- und Regenerationszyklen. Man kann nicht nonstop effizient und billig produzieren und Investitionen voll auslasten. Hinzu kommt, dass die Reproduktion der Pflanzen räumlich fixiert ist und Boden – im Gegensatz zu Kapital und Arbeit – sich nicht vermehren und auch nicht an einen anderen Ort verpflanzen lässt. All dies behindert eine voll standardisierte, lineare und kontinuierliche Produktion und limitiert die Wachstumssteigerung. Dennoch wird mit der industriellen Logik versucht, die natürlichen Gegebenheiten respektive «Restriktionen» zu überwinden. Das bezahlen wir mit einer erheblichen Zerstörung der natürlichen Ressourcen und ethisch fragwürdigen Produktionssystemen.

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«Die Entwicklung führte zu einem Komplex von Politik, Wissenschaft und Industrie»

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Der Tenor von Bauernverband, der agrochemischen Industrie, Detailhandel, etc. lautet: Ohne synthetische Pestizide gäbe es mehr Schädlinge, was Mindererträge nach sich ziehe. Die chemische Schädlingsbekämpfung wird so zur Errungenschaft ohne wirkliche Alternative. Sah man das schon immer so?

Ein Blick zurück zu den Anfängen der Schädlingsbekämpfung mit synthetischen Pestiziden lohnt sich. Lukas Straumann hat diese Geschichte in seinem Buch «Nützliche Schädlinge, angewandte Entomologie, chemische Industrie und Landwirtschaftspolitik in der Schweiz 1874-1952» aufgearbeitet. Sie ist nicht zu begreifen, ohne die Rolle von Politik, Forschung und die Entstehung landwirtschaftlicher Versuchsanstalten zu beleuchten – ein Prozess, der länger dauerte und schliesslich zu einem Komplex von Politik, Wissenschaft und Industrie geführt hat.

Dann nehmen Sie uns doch mit auf diese Zeitreise.

Natürlich kannten die Bauern schon immer Praktiken, um mit Schädlingen umzugehen. Fahrt aufgenommen hat die Forschung zu Schädlingsbekämpfung aber, als die Reblaus ab Mitte des 19. Jahrhunderts die europäischen Weingebiete befiel. Obwohl letztlich eine biologische Lösung für die Erfolgsstory sorgte – man führte resistente Sorten aus Amerika ein und pfropfte europäische Sorten auf – begannen damals die ersten Versuche der Entomologie, also der Insektenforschung, mit Pestiziden. Auch der Staat griff bei der Reblausbekämpfung erstmals als wichtiger Akteur in die Schädlingsbekämpfung ein und verordnete, ganze Rebberge zu roden.

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«Die Forschung zur biologischen Schädlingsbekämpfung existierte lange, bevor man vom Bio-Landbau sprach»

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Wie ging es mit der Forschung weiter?

Entomologie war ein neues Forschungsfeld und etablierte sich an der ETH erst in den 1920er Jahren als eigenes Gebiet. An den landwirtschaftlichen Versuchsanstalten, die ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden waren, wurde man aber schon vorher aktiv. Gegen die neu aufgetretenen Pilzkrankheiten im Wein- und Obstbau, wie z.B. falscher Mehltau, setzte man schon Ende des 19. Jahrhunderts Kupfersalze ein und es gab Behandlungsobligatorien.

Es wurde aber von Anfang an auf die Karte Chemie gesetzt?

Nein, zu Beginn ging die Forschung in drei Richtungen: die Züchtung resistenter Sorten, biologische und chemisch-synthetische Pestizide. Bei den biologischen Ansätzen beschäftigte man sich nebst der Entwicklung von natürlichen Pestiziden auch damit, wie sich Antagonisten von gewissen Schädlingen einsetzen lassen. Das existierte also lange, bevor man von der biologischen Landwirtschaft zu sprechen begann.

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«Man untersuchte die Schädlichkeit der Pestizide für Mensch und Umwelt lange nicht»

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Wie kam es dazu, dass die chemische Bekämpfung der biologischen vorgezogen wurde?

Ende des 19. Jahrhunderts wurde auch der Kartoffelkäfer von den USA nach Europa eingeschleppt. In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen begann man, den Käfer sowie andere Schädlinge im Wein- und Obstbau mit Kalkarsen und Bleiarsen, aber auch mit natürlichen Pestiziden zu bekämpfen. Doch letztere waren bis zu 25 Mal teurer als die Arsenpräparate. Aus diesem Grund haben sich die landwirtschaftlichen Versuchsanstalten, in denen ja geforscht wurde, zunehmend für die chemische Bekämpfung ausgesprochen. In der Zwischenkriegszeit entstand ein erster eigentlicher Markt für Pestizide – und einige kleine Familienunternehmen in diesem Sektor wie der Firma Maag, die heute zu Syngenta gehört.

Wie bitte: Arsen zur Schädlingsbekämpfung?

Dass Arsen giftig ist, war bekannt und in einigen Kantonen war die Anwendung vorerst untersagt. Es gab auch Debatten und Widerstand von Kantonschemikern, Medizinern, Hygienikern und Vogelschützern – allerdings erfolglos. Die Liberalisierung von Arsenpräparaten setze sich durch.

Auch Friedrich Traugott Wahlen, ab 1929 Direktor der landwirtschaftlichen Versuchsanstalt Zürich-Oerlikon und von 1943-1951 Professor für Pflanzenbaulehre an der ETH Zürich, vertrat die Meinung, man müsse Schädlinge vermehrt mit chemischen Mitteln bekämpfen. Denn der spätere «Vater der Anbauschlacht» propagierte eine stärker auf den Ackerbau ausgerichtete Landwirtschaft, um die Selbstversorgung der Schweiz zu steigern.

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«Für die Firma Geigy bedeutete das DDT den internationalen Take-off als Pestizidhersteller»

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War das der Durchbruch für die Chemieindustrie?

In den späten 1930er Jahren stieg die grosse Farben- und Chemieindustrie in die Herstellung von Pestiziden ein. 1937 hatte es in der Schweiz nur 14 Zulassungsanfragen gegeben, 1942 schon über Hundert. Die Firma Maag hatte zuvor einzelne Entomologen eingestellt. Der Markt war aber noch nicht gross gewesen. Die neuen Akteure wie Ciba, Sandoz und Geigy hingegen hatten wesentlich mehr finanzielle Kapazitäten als die Maag und bauten ganze eigene Forschungsabteilungen auf.

1939 entdeckte denn Paul Müller, ein Schweizer Chemiker im Dienst der J.R. Geigy AG, die insektentötende Wirkung von DDT, wofür er 1948 den Nobelpreis für Medizin erhielt. DDT wurde während des Kriegs und in den 1950er Jahren gegen viele Insekten eingesetzt – auch gegen Kartoffel- und Maikäfer. Für Geigy bedeutete DDT den internationalen Take-off als Pestizidhersteller, und DDT beschleunigte die Entwicklung weiterer Pestizide.

Die neuen Pestizide wurden von den Bauern ja wohl kaum so einfach akzeptiert. Wie bahnte sich die chemische Industrie den Weg zu ihnen?

Zunächst über die Firma Maag. Das Familienunternehmen war relativ stark mit den Versuchsanstalten verbunden und sehr kundennah – auch, weil es in der landwirtschaftlichen Beratung tätig war. Als Geigy in das Geschäft einstieg, vermarktete Maag deren DDT. Maag hatte im Gegensatz zu Geigy ein gut funktionierendes Vertriebsnetz unter den Bauern. Dann spielte auch der Bund eine Rolle: Er führte ein Behandlungsobligatorium gegen Kartoffelkäfer ein, gab gratis Insektizide ab und subventionierte die Sprühgeräte. Dass sich die synthetischen Pestizide ab den 1950er Jahren allmählich flächendeckend durchsetzen konnten, hatte nicht zuletzt auch mit der Ausrichtung der landwirtschaftlichen Ausbildung der Nachkriegszeit zu tun.

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«Mit der Aufnahme von synthetischen Pestiziden ins Gesetz, zementierte man die Ansicht, dass es sie braucht»

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Und die Bewilligungsinstanzen für Pestizide schauten einfach zu?

Die Bewilligung erteilten die landwirtschaftlichen Versuchsanstalten. Sie wurden zu nachgelagerten Prüfinstanzen der chemischen Industrie und beklagten sich, dass sie deshalb gar keine Zeit für eigene Forschung mehr hätten. Lukas Straumann zitiert unter anderen Ernst Horber, einen Agronomen, der 1946 in der Versuchsanstalt Oerlikon zu arbeiten begann: «Es ist wichtig für uns zu wissen, dass es irgendwo in der Welt noch Entomologen gibt, die um das Wohl der Landwirtschaft besorgt sind, und doch nicht unter das Rad der Schädlingsbekämpfungsindustrie geraten sind.»

Wie ordnen Sie den Umstand ein, dass man 1952 die Bewilligungspflicht im Landwirtschaftsgesetz verankerte?

Es gab damals schon Kritik daran. Denn damit schuf man eine Pfadabhängigkeit: Dass die chemisch-synthetischen Pestizide Eingang in die Gesetzgebung fanden, zementierte die Ansicht, dass es sie zwingend braucht und gab ihnen ein sehr grosses Gewicht. Ende der 1950er Jahre wurde dann eine Institution namens «Giftkommission» gegründet. Sie formulierte erste Grenzwerte für Pestizidrückstände in Lebensmitteln.

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«Nach dem 2. Weltkrieg wollte man in der Landwirtschaft einen Strukturwandel»

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Was war mit der von der Industrie unabhängigen Forschung?

Das Gewicht hatte sich klar zugunsten der Forschung mit kommerziellen Interessen verlagert. Es ging darum, möglichst preiswerte Produkte gegen Schädlinge auf den Markt zu bringen. Eine von der chemischen Industrie unabhängige Forschung, die nach Alternativen sucht, wurde während Jahrzehnten kaum oder gar nicht gefördert. Das ist auch der Grund, weshalb die Forschung zur biologischen Schädlingsbekämpfung heute stark im Rückstand ist.

Ein anderes Umweltproblem hat sich die Schweizer Landwirtschaft mit den zu grossen Tierbeständen eingehandelt. Abgesehen von den Folgen, die das im Ausland verursacht – Stichwort Sojaanbau –, wirkt sich das schädlich auf die hiesige Umwelt aus: Nitrat im Grundwasser, Phosphat belastete Gewässer und sehr hohe Ammoniakemmissionen. In Ihrer Forschung untersuchten Sie, wie es zu dieser Fehlentwicklung kam. Wie denn?

Die Schweizer Landwirtschaft ist wegen den klimatischen und topographischen Voraussetzungen seit jeher auf Tierhaltung ausgerichtet. Nach Ende des 2. Weltkriegs kontrollierte der Bund – wie in ganz Europa – die Landwirtschaft mit Regulationen. Man strebte eine möglichst hohe Selbstversorgung an, schützte die eigene Landwirtschaft mit Zöllen und subventionierte die Produkte. Gleichzeitig wollte man einen Strukturwandel: Die staatlich festgelegten Preise waren so angesetzt, dass nur noch rationell und moderne Betriebe ein ausreichendes Einkommen erwirtschaften konnten.

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«Von 1956 bis 1983 stieg der Schweinebestand im Kanton Luzern um 333 Prozent»

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Die Kleinbetriebe wurden fallen gelassen?

Um diese abzufedern, kam man in den 1960ern auf die Idee der «inneren Aufstockung» und der bodenunabhängigen Produktion. Durch das Investitionshilfegesetz von 1962 sowie dem Bundesratsbeschluss von 1964, die Preiszuschläge auf importierte Futtermittel um 20 bis 45 Prozent zu senken, förderte man eine intensive Tierhaltung, die ganz oder teilweise bodenunabhängig war.  Die vergünstigten Futtermittel sorgten für einen Boom – vor allem in der Schweinemast. Im Kanton Luzern zum Beispiel wuchs der Schweinebestand von 1956 bis 1983 um sagenhafte 333 Prozent an und trug der Gegend den Namen «Schweinegürtel» ein. Dazu kommen natürlich die Kühe in der Milchwirtschaft sowie die Poulet-, Kälber- und Rindermast. Obwohl die Bestände Ende der 1980er leicht zurückgingen, weist die Schweiz heute europaweit nach den Niederlanden und Belgien die dritthöchste Tierdichte auf.

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«Die künstliche Belüftung von drei Seen konnte bis heute nicht eingestellt werden»

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In den 1980er Jahren kamen Protestbewegungen auf und mündeten in Volksinitiativen, die eine umweltfreundlichere Landwirtschaft verlangten.

Die Umweltschäden waren sichtbar geworden: Man sah die Algenblüte in den Seen und die toten Fische, es gab Badeverbote, und das von Nitraten belastete Trinkwasser konnte teils nicht mehr genutzt werden. Das Luzerner Seengebiet mit dem Sempacher-, Baldegger- und Hallwilersee war so stark verschmutzt, dass es 1983 im Sempachersee zum europaweit grössten Fischsterben kam. 1982 – auch das ein Wechselspiel zwischen Politik und Wissenschaft – startete das Nationale Forschungsprogramm NFP2 mit der künstlichen Belüftung des Baldeggersees. Dass man einen See dieser Grösse künstlich «beatmete» war eine Weltpremiere. Verglichen mit damals geht es heute den drei Seen wieder gut, aber die künstliche Belüftung konnte bis heute nicht eingestellt werden.

Die Volksinitiative «gegen übermässige Futtermittelimporte und Tierfabriken» wurde wegen des Gegenvorschlags 1983 zurückgezogen, die «Kleinbauern-Initiative» 1989 nur sehr knapp verworfen. Versandeten sie spurlos?

Die Diskussionen um diese Initiativen beeinflussten die Revision des Gewässerschutzgesetzes von 1991. In ihm verschärfte man die Grenze der erlaubten Anzahl Tiere in Bezug auf die vorhandene Betriebsfläche. Ausserdem musste man mindestens die Hälfte der anfallenden Dünger auf der eigenen Hoffläche ausbringen können. Gleichzeitig wurden auch Ausnahmen im Gesetz eingebaut und nach technischen Lösungen gesucht, sodass sich die Tierbestände nicht gross reduzierten und sie auch heute noch in Bezug auf die landwirtschaftliche Nutzfläche deutlich zu hoch sind. Um die hohen Emissionswerte aus der Tierhaltung zu reduzieren und Stoffkreisläufe besser zu schliessen, müssen wir wieder eine stärker bodengebundene Landwirtschaft anstreben. Das heisst, die Tierdichte und letztlich auch die Bestände verkleinern.

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«Unsere Futtermittel-Importe brauchen rund 200‘000 bis 250‘000 Hektar Ackerland im Ausland»

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Dann importieren wir einfach mehr Fleisch. Ist das sinnvoll?

Das Argument greift zu kurz, denn langfristig müssen wir den Fleischkonsum ohnehin auf ein ökologisch verträgliches Mass herunterbringen. Doch eine Verpflichtung, die Stoffkreisläufe zwingend auf der Ebene jedes Einzelbetriebes immer zu schliessen, ist meines Erachtens unrealistisch. In der Schweiz eignen sich bestimmte Gegenden besser für den Ackerbau, andere – bedingt durch klimatische und topografische Verhältnisse – eher für die Tierhaltung. Ein gewisser Austausch von Futtermitteln und Dünger innerhalb der Schweiz scheint mir daher gerechtfertigt zu sein. Anders bei den Futtermittelimporten: Hier braucht es einen Verzicht auf die hohen Mengen, die wir aus dem Ausland zukaufen, und die dort eine Fläche von schätzungsweise 200'000 bis 250'000 Hektar beanspruchen.

Seit der Einführung der Direktzahlungen hat die Schweizer Agrarpolitik das Beitragssystem stufenweise angepasst – auch im Sinne einer ökologischeren Produktion. Der grosse Wandel blieb aber aus. Warum?

An der Logik, dass die Landwirtschaft möglichst rationell und hochproduktiv arbeiten soll, hielt man immer fest. Man hat zwar stufenweise ökologische Herausforderungen und Anliegen in die Agrarpolitik eingebaut, aber das geschieht sehr langsam. Es ist jedoch ein Widerspruch, immer noch günstiger und gleichzeitig ökologisch produzieren zu wollen.

Welches Fazit ziehen Sie daraus?

Allgemein lässt sich sagen: Eine vernünftige zukunftsfähige Landwirtschaftspolitik muss sich von der Dominanz der industriellen Logik wieder lösen und den natürlichen Gesetzmässigkeiten der landwirtschaftlichen Reproduktion Rechnung tragen.

Volksabstimmung Schweiz zu den Agrarinitiativen

Im Hinblick auf die Volksabstimmung vom 13. Juni 2021 über die Trinkwasser-Initiative und die Initiative für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide publiziert das CDE in loser Folge Expert*innen-Interviews. Der Fokus liegt dabei auf Fragen, die in der öffentlichen Debatte derzeit wenig beleuchtet werden.

Forschungsprojekt zum Thema

Das CDE forscht weltweit in zahlreichen Projekten zu Landwirtschaft und Ernährungssystemen. Unter anderem im Projekt «Die Bedeutung von Verarbeitung und Handel für ein nachhaltiges Ernährungssystem». Das Projekt untersucht die Wechselwirkungen zwischen landwirtschaftlicher Produktion und den nachgelagerten Sektoren in der Schweiz – und zeigt Massnahmen und Lösungen auf, wie sich die aktuellen Verhältnisse in diesen Sektoren verändern lassen, um zu einer nachhaltigeren und diversifzierteren Landwirtschaft zu kommen.