Mitholz: Wie wirkt sich die Räumung des ehemaligen Munitionsdepots auf die Bevölkerung aus?

Das Dorf Mitholz mit der Felswand im Hintergrund. Foto: Marianne Schmid


Spätestens ab 2030 wird ein Teil der Bevölkerung von Mitholz, einem Dorf im Kandertal, für voraussichtlich zehn Jahre umgesiedelt. Der Grund: Die geschätzten 3500 Tonnen Munition, die noch in der Fluh bei Mitholz lagern, müssen weg.

Das Depot wurde im 2. Weltkrieg angelegt. 1947 explodierten ein Teil der im Berg eingelagerten Munition. Dabei stürzte die Felswand ein, zerstörte das Dorf und kostete neun Menschen das Leben. 2018 zeigten Expertenberichte, dass es zu weiteren Explosionen kommen könnte. Um die Sicherheit für zirka 150 Einwohner*innen sowie die wichtige Nord-Süd-Alpentransversale zu gewährleisten, muss das Gebiet während der Sanierung geräumt werden – ein riesiges und einmaliges Vorhaben.

Das Dorf Mitholz nach der Katastrophe von 1947. Quelle: VBS


Mit einer umfassenden Räumung der Munitionsrückstände im gesamten Talboden sollen die Grundlagen für eine sichere und attraktive Zukunft für Mitholz geschaffen werden. Doch die damit verbundenen Herausforderungen für Bevölkerung und Gemeinde sind gross. Daher hat das zuständige Eidg. Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) für die Räumung auch Ziele im gesellschaftlichen Bereich definiert:

  • Die Lebensqualität in Mitholz soll durch das ehemalige Munitionslager nach der Räumung nicht mehr beeinträchtig werden
  • Die Voraussetzungen zu schaffen, damit Wohnen und Arbeiten in Mitholz wieder möglich und attraktiv sind
  • Das Vertrauen der betroffenen Bevölkerung und der Öffentlichkeit in die Fähigkeiten der Behörden zu stärken

Sozialwissenschaftliche Begleitung

Damit sich die Erreichung dieser Ziele messen lässt, hat das VBS das CDE beauftragt, ein Monitoring während der gesamten Projektlaufzeit durchzuführen. Das CDE begleitet die Räumung aus sozialwissenschaftlicher Sicht und untersucht mit dem Forschungsprojekt Fragen im Zusammenhang mit der Lebensqualität und der Verbundenheit mit der Heimat.

In einem ersten Schritt führen die Wissenschaftler*innen eine Befragung der Bevölkerung mit persönlichen Gesprächen durch. Die Gemeinde Kandergrund und die IG Mitholz unterstützen sie bei der Kontaktaufnahme mit der Bevölkerung.

Neben der Überprüfung der Projektziele dienen die Resultate auch den Gemeindebehörden, um zentrale Fragen rund um die Auswirkungen der Räumung auf das gesellschaftliche Zusammenleben im Dorf beantworten zu können.

Aus wissenschaftlicher Sicht stellt die Räumung des Munitionsdepots und die damit verbundene Umsiedlung der Bevölkerung eine in der Schweiz einmalige Situation dar. Einerseits handelt es sich um eine zeitlich begrenzte Umsiedlung mit der Möglichkeit, dass die betroffenen Personen wieder zurückkehren können. Bei vielen anderen Umsiedlungen – z.B. Braunkohle Abbau in Deutschland –  ist dies nicht möglich. Deshalb geht es im Fall Mitholz auch um Fragen bezüglich Wiederbesiedlung und Zukunft des Dorfes.

Andererseits werden wegen des Klimawandels auch in der Schweiz Naturgefahren wie Felsstürze und Murgänge zunehmen und sich auf Berggebiete auswirken. Daher ist es denkbar, dass Umsiedlungen als Massnahme des Naturgefahren-Managements vermehrt zu prüfen sein werden. Erkenntnisse, die aus der Umsiedlung in Mitholz gewonnen werden, können hier wichtige Grundlagen für die Planung künftiger Umsiedlungen liefern.

Mitholz – ein Bergdorf im Scheinwerferlicht

An der Veranstaltung «Mitholz – ein Bergdorf im Scheinwerferlicht» gab CDE-Wissenschaftlerin Astrid Wallner am 24. Januar 2023 Einblick in die sozialwissenschaftliche Forschung bei der Räumung des ehemaligen Munitionsdepots. Sie hielt auch fest, dass das Interesse der Forschung über Mitholz hinausgehe. «Es ist davon auszugehen, dass Naturereignisse infolge vom Klimawandel zunehmen und dass es vermehrt zu Umsiedlungen kommt. Gerade Bergregionen sind davon stark betroffen.»
Datum: 27.1.2023 | Quelle: Frutigländer (Abo)