Die industriellen Agrar- und Ernährungssysteme zeitigen weltweit unerwünschte Auswirkungen auf Ökosysteme sowie Gesundheit von Mensch und Tier. Zudem hatten laut der UNO-Welternährungsorganisation FAO 2022 rund 2,4 Milliarden Menschen keinen Zugang zu nahrhaften, gesunden und ausreichenden Lebensmitteln. Besonders betroffen sind Frauen und Bewohner*innen in ländlichen Gebieten.
Als Reaktion auf diese Probleme wächst das Bewusstsein für die Notwendigkeit nachhaltiger, widerstandsfähiger und umweltfreundlicher Ernährungssysteme.
Kombinierter Ansatz
Für dieses Projekt kombinieren die Forschenden Ansätze aus der Agrarökologie mit einem Fokus auf den Kontext der kleinbäuerlichen Landwirtschaft, indem sie das Konzept der lokalen agrarökologischen Ernährungssysteme (LAFS) übernehmen. Dieses relativ neue Konzept findet derzeit zunehmend Anerkennung. Es verspricht zwar einen alternativen Weg zu nachhaltigeren und gerechteren Ernährungssystemen, doch seine Umsetzung steht vor vielen Herausforderungen und Einschränkungen.
Wissenslücken schliessen
Der Wissenschaft kommt eine Schlüsselrolle zu, wenn es darum geht, empirische Belege für die genauen Bedingungen zu liefern, unter denen LAFS zu Ernährungssicherheit, Ernährungssouveränität, ökologischer Nachhaltigkeit und mehr Gerechtigkeit beitragen können.
Im Projekt werden daher vier Dimensionen von LAFS untersucht, die derzeit noch wenig erforscht sind:
1. Beitrag zur Ernährung
Agrarökologie und LAFS können durch die Förderung von Diversität – Pflanzenvielfalt, Biodiversität und Agrobiodiversität – positive Ergebnisse erzielen – sowohl in Bezug auf die Ernährungssicherheit als auch auf die Ernährungsvielfalt. Bislang sind jedoch die qualitativen Auswirkungen von LAFS und die damit verbundenen Veränderungen der Ernährungs- und Konsumgewohnheiten wenig erforscht.
2. Ökologische Nachhaltigkeit
Jüngste Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass kleinräumige und indigene landwirtschaftliche Praktiken mehr Agrarökosystemleistungen bereitstellen können als agroindustrielle Systeme. Allerdings kann es zu Diskrepanzen zwischen einigen Prinzipien der Agrarökologie und der tatsächlichen Praxis von Kleinbäuerinnen und -bauern kommen. Deshalb müssen die Praktiken der LAFS gründlich untersucht und ihre Auswirkungen auf verschiedene Ökosystemleistungen, darunter Bestäubung und Schädlingsbekämpfung, bewertet werden.
3. Wohlbefinden und Gerechtigkeit
LAFS bieten den Landwirt*innen zwar oft vielversprechende Alternativen und unterstützen kurze Lieferketten und lokales Wissen. Aber es ist noch unklar, wie sie die sozioökonomischen Schwächen wirksam angehen können, von denen Kleinbäuerinnen und -bauern weltweit zunehmend betroffen sind. Auch ist noch nicht geklärt, inwieweit LAFS die Geschlechtergerechtigkeit beeinflussen. Dies, obwohl die Stärkung der Rolle von Frauen entscheidend dazu beitragen kann, Einkommen und Ernährungssicherheit im Globalen Süden zu verbessern.
4. Governance und Politik
Für eine wirksame Umsetzung von LAFS braucht es auch förderliche Governance-Systeme und eine entsprechende Politik. In den letzten Jahren haben mehrere Regierungen LAFS-Ansätze und Ernährungssouveränität in ihre nationale Politik integriert. Sie sind jedoch selten in einen systemischen oder ganzheitlichen Ansatz zur Transformation der Ernährungssysteme eingebettet. Eine stärkere Fokussierung auf Governance und lokale Politikbereiche könnte dazu beisteuern, einige der Skalierbarkeitsprobleme anzugehen, die im Zusammenhang mit der Agrarökologie häufig hervorgehoben werden.