Der Kampf gegen invasive, fremde Arten hat in Ostafrika erst begonnen

Es überwuchert Gras- und Ackerland, sorgt für Ernteausfälle, bedroht die Biodiversität und richtet Schaden beim Vieh an: das Mimosengewächs Prosopis juliflora. Wie etliche Neobiota hat es sich in den letzten Jahren in Afrika massiv ausgebreitet. Neueste Forschungsresultate zeigen: Die Afar-Senke in Äthiopien, eine der heissesten Klimazonen der Welt, hat deshalb bereits um die 30 Prozent an Weideland verloren. Wissenschaftler_innen von CDE, lokalen und internationalen Institutionen untersuchen in einem gemeinsamen Projekt, wie sich Prosopis juliflora und andere invasive Neophyten in Ostafrika ausdehnen, wie sich das auswirkt – und wie sie sich bekämpfen lassen.

Prosopis-Invasion: Fahrstrasse in Afar, Äthiopien. Foto: Sandra Eckert


Gaby Allheilig

Ob Herbst-Heerwurm, Tomatenminiermotte oder Papaya-Schmierlaus, ob dickstielige Wasserhyazinthe oder Wandelröschen: Immer mehr gebietsfremde Arten breiten sich invasiv in Afrika aus. Dort schädigen sie das Ökosystem oder sorgen für riesige Ernteausfälle – so etwa der Heerwurm bei den Grundnahrungsmitteln Mais und Sorghum.

Bewusste Anpflanzung einer Mimosenart

Nicht jede gebietsfremde Art – seien es Tiere oder Pflanzen – wurde unfreiwillig eingeschleppt. Prosopis juliflora zum Beispiel, ein Mimosengewächs, das ursprünglich aus Lateinamerika stammt, pflanzte man vor rund 35 Jahren in Ostafrika bewusst in Plantagen an: Die Baumart, in Kenia bekannt als Mathenge, in Tansania als Mrashia und in Äthiopien als Woyane hara bzw. Derg hara, ist sehr gut an trockene Standorte angepasst. Dank ihrer bis zu 50 Meter tiefen Wurzeln wächst sie auch dort noch, wo andere Pflanzen keine Lebensgrundlagen mehr haben.

Nur auf möglichen Nutzen geschaut

Das machte Prosopis juliflora interessant für wasserarme und überweidete Gebiete wie zum Beispiel den Bezirk Baringo in Kenia: Mit ihr lässt sich die Wüstenbildung eindämmen und gleichzeitig Feuerholz, Holzkohle und Bauholz produzieren. In stark erosionsgefährdeten Gebieten wiederum, wie der Afar-Senke im Osten Äthiopiens, hätte der oft strauchartige Baum für Bodenstabilität sorgen sollen.

Müssen vor der Verfütterung prozessiert werden, um keinen Schaden beim Vieh zu verursachen: Prosopis-Schoten. Foto: Sandra Eckert


Andere Pflanzen verdrängt

Doch aus dem Traum ist längst ein Alptraum für die lokale Bevölkerung geworden. Die süssen Früchte der Prosopis juliflora, zunächst als willkommenes Tierfutter betrachtet, sorgen beim Vieh für Karies und Zahnausfall, falls die Schoten nicht prozessiert werden.

Noch mehr ins Gewicht fällt: Die Pflanze kann nicht nur in dürre Regionen vordringen, sondern auch ein nahezu undurchdringliches Dickicht bilden und andere Pflanzen – etwa die Gräser von Weideland – verdrängen. Denn einerseits ist der schnellwüchsige und tief wurzelnde Neophyt im Kampf um Wasser kaum zu schlagen, andererseits deutet vieles darauf, dass er wachstumshemmend auf Gräser und Kräuter wirkt.

Gesundes, ursprüngliches Grasland hier (links, eingezäunt) – von Prosopis juliflora überwuchertes Land, auf dem keine Gräser mehr wachsen da: Baringo, Kenia. Foto: Purity Rima


Schwierige und teure Bekämpfung

Weil Prosopis juliflora Millionen von Samen produziert, die über Jahre fruchtbar bleiben, und sie sich darüber hinaus auch vegetativ vermehrt, reicht es nicht, die Bäume und Sträucher auszureissen. Abtöten lässt sie sich nur, wenn jede einzelne Pflanze mit ausgewählten Herbiziden behandelt wird – eine enorm aufwändige und teure Arbeit.

Erste Tests zeigen Erfolge mit chemischer Bekämpfung: Auf dem rechten Satellitenbild ist die Fläche als grünliches Rechteck sichtbar. Aufnahme: Sentinel-2A, ESA


 

Nachdem die Prosopis-Sträucher abgetötet wurden, hat sich das Grasland erholt: Testfläche in Afar. Foto: Sandra Eckert


Konflikte unter Viehhaltern

 «In Ostafrika sind die Auswirklungen solcher invasiver Arten besonders gravierend», unterstreicht Sandra Eckert, Wissenschaftlerin am CDE. «Denn hier leben viele Menschen noch von der Landwirtschaft und hängen sehr stark von Gras- und Ackerland, natürlichen Wasserquellen oder Wäldern ab.» Geht nutzbares Land verloren, wachsen die Konflikte zwischen sesshaften Bauern und nomadisierenden Hirten an.

Trotz der zunehmenden Probleme, die Prosopis juliflora und andere invasive Gehölze verursachen, fehlte es bislang an verlässlichen Informationen, wo, wie und in welchem Umfang natürliche Ressourcen und Menschen betroffen sind. «Das erschwert es, koordiniert vorzugehen», so die Wissenschaftlerin.

Forschung zeigt das wahre Ausmass auf

Das Forschungsprojekt «Woody weeds», in dem Wissenschaftler_innen aus der Schweiz, Äthiopien, Kenia, Tansania und Südafrika zusammenarbeiten, hat zum Ziel, dies zu ändern. In einer kürzlich veröffentlichten Teilstudie legten die Forschenden dar, dass in der Afar-Senke bereits 1,17 Millionen Hektar Land von der Invasion von Prosopis juliflora betroffen sind. Neueste Ergebnisse, die auf einem Vergleich mit der früheren Landnutzung beruhen, verdeutlichen zudem: Zirka 30 Prozent davon waren Grasland – die Grundlage der traditionellen, extensiven Weidewirtschaft.

Ausbreitung von Prosopis juliflora in der Afar-Senke seit 1986. Karte: Hailu Shiferaw, Sandra Eckert


Mit Daten Bekämpfungs- und Schutzstrategien entwickeln

«Angesichts der Ausdehnung ist es kaum finanzierbar, Prosopis juliflora überall auszurotten», dämpft Sandra Eckert zu hohe Erwartungen. Vielmehr geht es gemäss der Fernerkundungs-Spezialistin darum, robuste Daten zu liefern, um wirksame, effiziente und realistische Strategien zu entwickeln, mit denen sich die weitere Ausbreitung des Neophyten eindämmen lässt. Weiter dienen die Daten dazu, noch nicht betroffene Gebiete zu schützen, die für die landwirtschaftliche Nutzung und den Erhalt der Biodiversität wichtig sind.

Neue Methode liefert neue Erkenntnisse

Zu diesem Zweck haben die Forschenden sowohl die Ausdehnung als auch die Dichte von Prosopis juliflora ermittelt. Denn, so Sandra Eckert: «Die negativen Folgen der Pflanze überwiegen erst, wenn sie zu dicht wächst.» Um die begrenzten finanziellen Mittel optimal einzusetzen, sei es wichtig, jeweils den lokalen Nutzen und Schaden zu ermitteln und gemeinsam mit der Bevölkerung zu beurteilen.

Gemeinsame Kartierung von Vieh-Wanderrouten: Baringo, Kenia. Foto: Purity Rima


Neben der Beteiligung von lokalen Gemeinschaften muss die Bekämpfung methodisch und räumlich angepasst sein. Eine Voraussetzung dafür ist das Wissen, wie sich die Pflanze verbreitet. Auch hier sind die Forschenden zu neuen Erkenntnissen gelangt: Im Unterschied zu früheren Studien ergab die detaillierte Kartierung, dass Teile der betroffenen Gebiete weit entfernt von den ursprünglichen Plantagen liegen. «Die Prosopis-Invasion ist dort am stärksten, wo sich Menschen und Tiere bewegen: in Siedlungen und entlang von Transport-Routen. Dazu kommen Ufergebiete, weil Wasserläufe die Samen ebenfalls mitführen», fasst Sandra Eckert zusammen.

Erste konkrete Resultate erreicht

Mit den neuen Daten soll der Grundstein dafür gelegt werden, dass die politischen Instanzen nachhaltige Landmanagementpraktiken fördern. Der Auftakt ist erfreulich: In Tansania etwa hat der Umweltminister eine Task Force mit Beteiligung der Wissenschaftler_innen einberufen. Diese soll einen Strategieplan für den Umgang mit invasiven gebietsfremden Arten erstellen. In Kenia und Äthiopien haben die zuständigen Ministerien ebenfalls reagiert und erste Schritte eingeleitet. Doch der Kampf gegen die fremden, invasiven Arten steht in Ostafrika erst am Anfang.

Woody Weeds

Das Forschungsprojekt «Woody invasive alien species in Eastern Africa», kurz «Woody Weeds» ist Teil des Programms “Research on Global Issues for Development (r4d-Programm)” von Schweizerischem Nationalfonds (SNF) und der Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA). Das Projekt wird von CABI geleitet, das CDE ist verantwortlich für drei Arbeitspakete: 1. gebietsfremde, invasive Gehölze in der Projektregion räumlich und quantitativ zu erfassen 2. Strategien für das Management (von Prävention über Kontrolle bis zur Bekämpfung) der Neophyten zu entwickeln 3. auf der jeweils nationalen, politischen Ebene das Bewusstsein für nachhaltige Landmanagementpraktiken zu fördern.

Niche change analysis as a tool to inform management of two invasive species in Eastern Africa

Eckert S, Hamad A, Kilawe C, Linders TEW, Ng W-T, Mbaabu PR, Shiferaw H, Witt A, Schaffner U, 2019

In: Ecosphere

Spatial Evolution of Prosopis Invasion and its Effects on LULC and Livelihoods in Baringo, Kenya

Rima Mbaabu P, Ng W-T, Schaffner U, Gichaba M, Olago D , Choge S, Oriaso S, Eckert S, 2019

In: Remote Sensing

Implications of land use/land cover dynamics and Prosopis invasion on ecosystem service values in Afar Region, Ethiopia

Shiferaw H, Bewket W, Alamirew T, Zeleke G, Teketay D, Bekele K, Schaffner U, Eckert S. 2019

In: Science of the Total Environment

Modelling current fractional cover of an invasive alien plant and drivers of its invasion in a dryland ecosystem

Shiferaw H, Schaffner U, Bewket W, Alamirew T, Zeleke G, Teketay D, Eckert, S. 2019

In: Scientific Reports 9

Performance of machine learning algorithms for mapping fractional cover of an invasive plant species in a dryland ecosystem

Shiferaw H, Bewket W, Eckert S. 2019

In: Ecology and Evolution