Neue Strategie zur Internationalen Zusammenarbeit ist zu wenig ambitioniert

Der Bundesrat hat mit seiner Botschaft zur Internationalen Zusammenarbeit 2025-2028 vorgelegt. Demnach will die Schweiz u.a. 1,5 Mrd. CHF aus der Entwicklungszusammenarbeit in die dringend nötige Unterstützung der Ukraine verschieben. Für das CDE ist das nicht akzeptabel, weil damit genauso dringend benötigte Mittel für die ärmsten Entwicklungsregionen abgezweigt würden. Auch sonst könnte der Vorschlag ambitiöser und kohärenter mit bestehenden Strategien sein – vor allem punkto Umsetzung der Agenda 2030, dem Engagement gegen die zunehmende Ungleichheit und beim Klimaschutz. Wie? Das zeigt das CDE in seiner Stellungnahme zur Vernehmlassung auf.

Cartoon: Karl Herweg

Einleitende Bemerkungen

Gerne leisten wir der Einladung zur Vernehmlassung des vorliegenden Entwurfs für die Internationale Zusammenarbeit (IZA) 2025-2028 Folge. Als akademisches Kompetenzzentrum der Nachhaltigkeitswissenschaften arbeiten wir gemeinsam mit Forscherinnen und Forschern aus dem globalen Süden in langjährigen Partnerschaften intensiv an Fragen einer gerechten, globalen nachhaltigen Entwicklung.

Unsere wichtigsten Punkte, im nachstehenden Text ausführlich erläutert, vorweg:

  1. Der vorliegende Entwurf erfüllt nicht die Erwartungen an eine Strategie, die nach Ablauf der Halbzeit zur Erreichung der UN-Nachhaltigkeitsziele dezidiert die Richtung vorgeben soll, wie die IZA die Nachhaltigkeitstransformation in den Ländern des globalen Südens voranbringen kann. Wir hätten uns ein klares Bekenntnis zu einer systemischen statt einer fragmentierten Herangehensweise erhofft. Ein solcher systemischer Ansatz sollte auf einer entschiedenen und durch wissenschaftliche Erkenntnisse informierten Sicht auf die relevanten Hebel zur Transformation für die von der IZA priorisierten Handlungsbedarfe fussen.
     
  2. Angesichts schwindender Resilienz von armutsbetroffenen, aber auch zunehmend breiteren Gesellschaftsschichten, die durch die Klimaerhitzung, den Krieg in Europa und die Inflation verstärkt unter Druck kommen, braucht es zielgerichtete und wissenschaftlich fundierte Interventionen, um die Errungenschaften der vergangenen Jahre in der Armutsbekämpfung nicht wieder preiszugeben. Unter diesen Vorzeichen fällt die Hervorhebung der Kontinuität auf, mit der die Strategie ansetzt. Im Vergleich zu 2019 ist die Welt durch Pandemie und Krieg anders aufgestellt. Die vorliegende IZA-Botschaft verhält sich nicht zu diesen massiven Verwerfungen – mit Ausnahme der von uns nicht mitgetragenen Verschiebung von substanziellem finanziellem Volumen zu Gunsten der Ukraine (siehe 4).
     
  3. Eines der verheerendsten Probleme, das die Umsetzung der Agenda 2030 blockiert, ist die zunehmende Ungleichheit. Armutsbekämpfung alleine reicht nicht aus, um dies zu ändern. Die vielversprechende Diskussion um Universal Basic Services (UBS) sollte als wirksamer Ansatz zur Bekämpfung von Ungleichheit von der Schweizer IZA aufgegriffen werden. Hierbei geht es um die Sicherstellung von Grundfunktionen für eine würdevolle menschliche Entwicklung. Wir empfehlen, die Entwicklungsinterventionen im Bereich Grundfunktionen, die verstreut über Themen und Schwerpunkte erwähnt sind, in einem spezifischen Abschnitt zu bündeln und dort nicht nur zum „Was“ (welche Grundfunktionen), sondern auch zum „Wie“ (staatliche, nicht-staatlich private sowie gemeinschaftliche Initiativen) – Stellung zu nehmen (siehe Formulierungsvorschlag weiter unten).
     
  4. Wir stellen uns dezidiert gegen den Vorschlag, die dringend benötigte finanzielle Unterstützung der Ukraine von den genauso dringend benötigten Mitteln für die ärmsten Entwicklungsregionen der Welt abzuzweigen. Dies insbesondere da schon jetzt die Kosten für das erste Asyljahr sowie substanzielle Mittel für die Klimafinanzierung dem IZA-Budget belastet werden. Die Schweiz kann beim Engagement gegen den Krieg von Russland nicht abseitsstehen. Schaffen wir es nicht, den Schweizer Beitrag aus einem eigenständigen Fonds zu leisten, statt ihn auf die IZA – und damit auf die ärmsten Bevölkerungsgruppen – abzuwälzen, so ist dies nicht nur reputationsschädigend für unser Land. Vielmehr stellt sich damit auch die Frage des politischen Willens und Vermögens, tatsächlich an die Umsetzung der Agenda 2030 beitragen zu wollen, zu der sich die Schweiz bekannt und verpflichtet hat.   

Stellungnahme zur Botschaft Internationale Zusammenarbeit 2025-2028

1. Halten Sie die vier Entwicklungsziele und die ausgewählten spezifischen Ziele für relevant (vgl. Ziff. 3.3.2 des erläuternden Berichts)? (Menschliche Entwicklung, Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, Klima und Umwelt, Frieden und Gouvernanz)

Zunächst hätten wir uns statt der konventionellen, sektoriellen Herangehensweise eine systemisch organisierte Strategie erhofft. Auch wenn der Bericht die gegenseitige Abhängigkeit und Verstärkung der Ziele untereinander hervorhebt, so fehlt es an einer kohärenten Analyse, wie die gewählten Ziele und Schwerpunkte im Sinne von Zielkonflikten und Synergien auf die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 ausgerichtet werden können – obwohl dies im Eingangstext bestätigt wird und zudem eine klare Forderung der Aussenpolitischen Strategie 2020-2030 des EDA ist. Die Betroffenheit von multiplen Umweltkrisen ist in Entwicklungskontexten noch viel unmittelbarer als in wohlhabenden Regionen. Auch wenn die IZA darauf nicht die alleinige Antwort sein kann, so sollte sie sich so aufstellen, dass Antworten zumindest gesucht werden können. Diese Haltung fehlt im vorliegenden Bericht. Stattdessen eröffnet er defensiv (Schutz für globale Güter übersteigt die Kapazität/Antworten auf akute Krisen verhindern strukturelle Veränderungen – S. 13) und rechtfertigt die wenig ambitionierte Anlage der Strategie. Mit der Halbzeit der Frist zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele unmittelbar im Blick, mangelt es dieser Grundhaltung an Ambition und glaubwürdiger Entschlossenheit.

Im Folgenden gehen wir auf die einzelnen Unterziele ein.

  • Menschliche Entwicklung

    Wir unterstützen den Fokus auf die Grundversorgung, der angesichts bestehender, und stetig zunehmender Ungleichheit ganz besonders dringend geworden ist. Wir regen jedoch mit Blick auf den Nexus zwischen Humanitärer Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit (EZA) an, den Begriff der Grundversorgung und des Zugangs dazu im Sinne der Universal Basic Services (UBS) zu erweitern. Das Konzept beruht auf der Annahme, dass menschliche Entwicklung auf der Bereitstellung von Grundfunktionen beruht. Die Entfaltung sozialer Initiativen und individueller Verwirklichungschancen ist nur innerhalb eines soliden Rahmens von grundlegenden, für alle Bevölkerungssegmente zugänglichen Versorgungsleistungen denkbar. Zu den fundamentalen Versorgungsfunktionen gehören, neben den in Punkt 3.3.2 aufgezählten Funktionen auch die – in unterschiedlichen Abschnitten des Berichts erwähnten – Bereiche Behausung, Ernährung, Mobilität, Bildung, Gesundheit, und nachhaltige Energie. Eher nur am Rande ist in diesem Zusammenhang und mit Blick auf die erwartete Entwicklungsbeschleunigung durch digitale Technologien der Zugang zu Information herausgearbeitet.

    Entscheidend ist dabei weniger, welche Aufgaben im Rahmen von UBS gewährleistet werden sollen – obwohl auch dies eine Diskussion rechtfertigt –, sondern wie diese Grundversorgung geleistet wird. Der vorliegende Entwurf benennt den Staat und Private. Damit droht die Strategie in bekannte Fallen der entweder/oder-Sichtweise zu tappen und verpasst die Chance, kollektive Akteure wie Körperschaften und Genossenschaften zu befähigen, angemessene und auf den jeweiligen Kontext angepasste Leistungen bereitzustellen.

    Die Bereitstellung der Grundfunktionen ist nicht ausschliesslich Staatsaufgabe, sondern kann auch über Körperschaften wahrgenommen werden. Der Staat setzt die Rahmenbedingungen im Sinne eines enabling environments, damit sich Kollektive aufbauen und diese Aufgaben komplementär zu staatlichen Grundleistungen und im Sinne des universellen Zugangs für alle Bewohnerinnen und Bewohner eines Ortes übernehmen können. Forschungspartnerschaften sind hier zielführend, beispielsweise, indem im Rahmen von Living Labs der Aufbau und die Entwicklung solcher Körperschaften sowie weiterer sozialer Innovationen untersucht und in Ergänzung zu angepassten Rahmenbedingungen gesetzt werden.

    UBS bieten einen vielversprechenden Ansatz im Kampf gegen die Ungleichheit innerhalb von Ländern, die sich durch die Inflation massiv verschärft. Ein immer grösserer Anteil des Einkommens insbesondere der ärmsten Bevölkerungssegmente muss für die Bereitstellung von Grundfunktionen eingesetzt werden – wo dies nicht möglich ist, ersetzen häufig Frauen die Lücke durch unbezahlte Arbeit. Ohne eine deutliche Bewegung der IZA in Richtung UBS werden Errungenschaften der letzten Jahrzehnte in der Armutsreduktion vernichtet, erfährt die Gleichstellung der Geschlechter einen Rückschlag, und ein menschenwürdiges Leben für zahlreiche Bevölkerungen und Regionen bleibt unerreichbar. UBS leisten auch einen substanziellen Beitrag zur Stärkung der Resilienz von vulnerablen Bevölkerungen. Diese ist ein unschätzbarer Wert im Hinblick auf drohende und bereits begonnene Umweltkatastrophen. Nicht zuletzt sind UBS unverzichtbar für das zweite strategische Ziel, die nachhaltige Wirtschaftsentwicklung.

Formulierungsvorschlag

Ein immer grösserer Anteil des Einkommens der ärmsten Bevölkerungssegmente muss für die Bereitstellung von Grundfunktionen eingesetzt werden – wo dies nicht möglich ist, ersetzen häufig Frauen und statustiefe Mitglieder der jeweiligen Gesellschaft die Lücke durch unbezahlte Arbeit. Universal Basic Services bieten einen vielversprechenden Ansatz im Kampf gegen die Ungleichheit innerhalb von Ländern, die sich durch die Inflation massiv verschärft. Verwirklichungschancen – und damit echte Entwicklungsfortschritte – sind nur innerhalb eines soliden Rahmens von grundlegenden, für alle Bevölkerungssegmente zugänglichen Versorgungsleistungen denkbar. Zu den grundlegenden Versorgungsfunktionen gehören Behausung, Ernährung, Mobilität, Bildung, Gesundheit, nachhaltige Energie und der Zugang zu Information. Die Bereitstellung der Grundfunktionen ist nicht ausschliesslich Staatsaufgabe, sondern kann auch über Körperschaften wahrgenommen werden. Der Staat setzt die Rahmenbedingungen im Sinne eines «enabling environments», damit sich Kollektive aufbauen und diese Aufgaben komplementär zu staatlichen Grundleistungen und im Sinne des universellen Zugangs für alle Bewohnerinnen und Bewohner eines Ortes übernehmen können. Forschungspartnerschaften sind bei der Neugestaltung der Rahmenbedingungen, bei der Umsetzung und mit Blick auf Skalierung, beispielsweise im Rahmen von «Living Labs», zielführend.

 

  • Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung
     

    Damit Beschäftigung und Formalisierung von Arbeitsplätzen zu Schlüsselfaktoren für die wirtschaftliche Entwicklung werden, braucht es vorgängig eine dezidierte Pufferung des Risikos von Individuen und Haushalten bei der angestrebten strukturellen Veränderung der Wirtschaft. Der Abschnitt ist auch vor dem Hintergrund der mittlerweile viel beschriebenen Tatsache zu lesen, dass wir in Subsahara-Afrika gleichzeitig eine De-Agrarisierung sowie eine stockende Industrialisierung vorfinden. Dies auf einem Kontinent, wo, notabene, zwei Drittel der Bewohnerinnen und Bewohner von der Landwirtschaft abhängig sind. Das bereits erwähnte Stichwort der Resilienz, sowie soziale Sicherheit als Teil von UBS, kommen hier erneut ins Spiel. Davon lassen sich Kriterien für Prioritäten betreffend die Anpassung der Rahmenbedingungen ableiten.

    In diesem Handlungsfeld empfehlen wir eine noch stärkere Betonung von ressourcenleichten Jobs und menschenwürdigen Arbeitsbedingungen. Statt der gängigen Überbetonung von alternativen Technologien sollte das Gewicht auf der Förderung von Bildungs- und Gesundheitsinitiativen liegen, die grundsätzlich grüner Natur sind, und welche die im Bericht geforderten positiven sozialen und ökologischen Auswirkungen nach sich ziehen. Die Entwicklung von lokal angepassten digitalen Technologien, die Sicherstellung des gleichberechtigten Zugangs zu virtuellen Plattformen und der Aufbau von entsprechenden Bildungsangeboten zu deren Nutzung und Risiken sind entscheidende Punkte, die in diesem Abschnitt unterbetont sind.

    Vor dem oben beschriebenen Trend zur De-Agrarisierung gilt es, im Fokus «Wirtschaftsentwicklung» auch die Landwirtschaft einzuschliessen und die Massnahmen in ländlichen Gebieten umzusetzen. Wirtschaftliche Entwicklung in Subsahara-Afrika wird nur mittels einer dezidierten pro-poor-Landwirtschaftsstrategie, die wissenschaftlich abgestützt ist und einem soliden, dekolonialen Ansatz folgt, gelingen. Dazu gehören auch neu ausbalancierte Wertschöpfungsketten, die verletzlichen Produzierenden u.a. einen adäquaten Preis garantieren, sowie Rahmenbedingungen, die eine solche Anpassung fördern.

    Im Zusammenhang mit dem Zugang zu globalen Märkten und dem Aufbau von modernen Handelssystemen erachten wir die Einführung von effektiven Nachhaltigkeitsanreizen und -standards als zentral. Diese müssen allerdings so ausgestaltet sein, dass sie kleine, lokale Anbietende stärken und nicht schwächen. Die IZA muss gleichzeitig sicherstellen, dass Letztere befähigt werden, die Qualität zu erreichen, um von den neu austarierten Märkten zu profitieren. 

Formulierungsvorschlag

Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung steigert die Resilienz der arbeitenden Bevölkerung auch in ländlichen Regionen, womit der Auf- und Ausbau von sozialen Sicherheitssystemen eine Kernaufgabe der EZA bleibt. Nebst dem Grundsatz von «decent work» sollen ressourcenleichte Jobs, namentlich im Gesundheits- und Bildungswesen und in der Landwirtschaft, mindestens ebenbürtig mit Arbeitsplätzen im grünen Technologiesektor gefördert werden. Die entsprechenden Strategien weisen ein klares «pro-poor-Design» auf der Basis von dekolonialen Prinzipien auf, das auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht. Unter dem Einfluss von neuen Regulierungen im Handel, die beispielsweise von der EU vorangetrieben werden, muss die IZA gezielt die örtlichen Produzentinnen und Produzenten darin unterstützen, die Qualität zu erreichen und von den neu austarierten Märkten zu profitieren, so dass vermehrt grössere Anteile der Wertschöpfung in den Entwicklungsregionen geschaffen werden und ein besserer Preis dafür bezahlt wird. Auch die Verlagerung von neu erforderlichen Dienstleistungen – u.a. im Bereich «nature tech»/Geographische Informationssysteme – in Entwicklungsregionen gehört dazu. So muss die Entwicklung und der Zugang zu zielführenden und angepassten digitalen Technologien gefördert und mehr Chancengleichheit bei der Inanspruchnahme von entsprechenden Massnahmen gewährleistet werden.

 

  • Klima und Umwelt


    Während die Stossrichtung und namentlich die Gewichtung zugunsten der am stärksten benachteiligten Bevölkerungssegmente unbestritten ist, fehlt in diesem Handlungsfeld die Inwertsetzung lokalen Wissens und sozialer Innovationen, welche entscheidende Ansätze für die notwendige Transformation bereitstellen. Durch die gezielte Förderung von Forschungspartnerschaften können das notwendige Wissen kontextgerecht, gemäss den Bedingungen von dekolonialen Herangehensweisen und mit lokalen Stakeholdern ko-produziert und entsprechende Massnahmen schlüssig umgesetzt werden.

    Dieses Wissen ist auch dringend notwendig bei der Umsetzung von CO2-Kompensationsprogrammen, die immer stärker nachgefragt sind und bedeutende Geldquellen innerhalb der IZA freisetzen. Im Sinne der informierten Abwägung von Zielkonflikten gilt es, unter Einbezug von empirischen Studien sicherzustellen, dass a) die Programme ihre Klimaziele tatsächlich erreichen, b) sie nicht unter dem Deckmantel der Klimakompensation neue koloniale Strukturen hervorbringen und c) die finanzierten Massnahmen nicht auf Kosten der schwächsten Bevölkerungsgruppen gehen (siehe auch unsere Bemerkungen unter 1 b) zu Märkten und Handel).

    Die gewählten Schwerpunkte in diesem Abschnitt sind alle relevant, und die Hervorhebung der Grundrechte im Bereich Nahrung und Wasser ist schlüssig. Die Landfrage ist aufs Engste mit der Verfügbarkeit von Wasser und Ernährung verknüpft – sie wird im Bericht unter Frieden und Gouvernanz erörtert. Im Sinne der systemischen Herangehensweise sollten Zugang und Nutzung von Land auch in diesem Abschnitt angesprochen werden. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass sich mit klaren Regulierungen zu Landbesitz und der Sicherung von Landzugang enorme Verbesserungen in der Ernährungssicherheit und der allgemeinen Resilienz von armutsbetroffenen Bevölkerungen erreichen lassen. Die Forschung zu Gemeinschaftsgütern hat zentrale Beiträge erarbeitet, wie commons gestärkt und dadurch neue Lösungen angesichts der zunehmend schärfer werdenden, konfligierenden Ansprüche auf Land erarbeitet werden können.

    Wiederum liegt die Betonung im ganzen Abschnitt stark auf Technologietransfer und Förderung von KMUs – was zielführend sein kann –, während der Blick auf soziale Innovationen keinen klaren Ausdruck findet. Zwischen der Mobilisierung von staatlichen und privaten Investitionen sind lokal verwurzelte Körperschaften wichtige Mobilisierungsfaktoren, ebenso wie andere soziale Innovationen.

Formulierungsvorschlag

Sowohl bei den Anpassungs- wie auch den Eindämmungsstrategien zur Klimaerwärmung setzt die IZA des Bundes neben Technologien auf soziale Innovationen, die einen ebenso mächtigen Hebel zu den geforderten Nachhaltigkeitstransformationen bilden. Wissenschaftliche Studien können hierbei Grundlagen schaffen, um soziale Innovationen beispielsweise in den Unterzielen zu Ernährung oder Wasser für die Abfederung von Zielkonflikten kontextgenau zu entwickeln, und Synergien bei Klima- oder Biodiversitätsinterventionen wirksam zu steigern. Von besonderer Wichtigkeit sind Fragen der Landgouvernanz. Unter dem Stichwort «Environmental Justice» sollen forschungsinformierte Ansätze zur Förderung der «common pool resources», die weder einseitig markt- noch staatsgetrieben sind, soziale Innovationen zur gerechteren Landgouvernanz und zu einer inklusiven Entwicklung hervorbringen. Bei den Rahmenbedingungen für grüne Anleihen braucht es dringend detaillierteres Wissen, damit diese Instrumente tatsächlich die Wirkung erzeugen, die sie verkaufen. Unter Einbezug von empirischen Studien gilt es sicherzustellen, dass a) die Programme ihre Klimaziele tatsächlich erreichen, b) unter dem Deckmantel des Klimaschutzes nicht neue, koloniale Strukturen legitimiert werden und c) diese Massnahmen nicht auf Kosten der schwächsten Bevölkerungsgruppen gehen.

 

  • Frieden und Gouvernanz

    Die Glaubwürdigkeit der Schweiz und ihre Erfahrung sind in diesem Handlungsfeld hoch und legitimieren den Schwerpunkt. Unter dem Eindruck der jüngsten Serie von gewaltsamen Staatsstreichen in Westafrika verstärkt sich dieses Argument. Die Schweizer IZA kann diese Glaubwürdigkeit als Hebel für wirksame Interventionen einsetzen. Wir begrüssen die in diesem Abschnitt hervorgehobene Absicht, der Teilhabe von Frauen und Minderheiten besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Dies steht im Einklang mit der UNO-Resolution 1325, welche die Schweiz unterzeichnet hat. Erstaunlich ist, dass in all den Anstrengungen um eine breitere Teilhabe von Minderheiten und Frauen die Bedeutung der digitalen Kommunikations- und Informationstechnologien nicht erwähnt ist. In dieser Hinsicht haben wir zwei Bemerkungen: Erstens, die Chancen, welche die digitalen Technologien mit ihrer enorm raschen Entwicklung bieten, sollten zur Unterstützung dieser Anstrengungen genutzt werden. Hierfür braucht es, zweitens, sinnvolle Programme zur Ausbildung, zur Nutzung und zum Zugang zu relevanten digitalen Instrumenten, damit die Ausschlussmechanismen, welche die IZA im Rahmen dieses Schwerpunkts eigentlich bekämpfen will, nicht im gleichen Atemzug wieder verstärkt werden.

Formulierungsvorschlag

Die Handlungsfelder Frieden und Gouvernanz werden durch die Verbreitung von digitalen Informations- und Kommunikationsmedien massiv und eindrücklich schnell beeinflusst werden. Um die Chancen dieser Entwicklung zu nutzen und gleichzeitig zu vermeiden, dass die erreichten Verbesserungen bei der zivilgesellschaftlichen Teilhabe und der Stärkung von Institutionen durch neue Barrieren negativ kompensiert werden, setzt sich die DEZA für gezielte, forschungsgestützte Interventionen und eine mit der Zivilgesellschaft gemeinsam erarbeitete Strategie zur Verbreitung, Nutzung, der Ausbildung, dem Zugang und der Wirkung von digitalen Technologien, unter anderem in den Handlungsfeldern Frieden und Gouvernanz, ein. Von besonderer Bedeutung sind diese Interventionen für den Einbezug von Frauen in Friedensprozesse und mit Blick auf inklusive Institutionen. Ebenso gilt es, ihr Potenzial betreffend die Förderung von Umweltgerechtigkeit im überaus sensiblen, für die Verbesserung von Verwirklichungschancen kritischen Bereich Landgouvernanz einzusetzen.


2. Halten Sie die vorgeschlagene geografische Fokussierung für sinnvoll (vgl. Ziff. 3.3.3 des erläuternden Berichts)?

Wir hatten die Beendigung der Programme in Lateinamerika angesichts fragiler Entwicklungstrends vor vier Jahren kritisiert und fühlen uns in unserer damaligen Haltung bestätigt. Mit dem nun Tatsache gewordenen Ende des bilateralen Engagements in Lateinamerika erwarten wir eine konsequente Umsetzung des Fokus auf die ärmsten Länder in Subsahara-Afrika unter der Prämisse, dass dort, wo die Schweizer IZA viel Erfahrung hat, kein schneller Ausstieg zu Gunsten eines politisch vorgegebenen geographischen Fokus vorgenommen wird. Der Aufbau von neuen Schwerpunktländern erfordert einen hohen Ressourceneinsatz. Dieser muss gegen den Nutzen einer Weiterführung von Programmen in bestehenden Ländern abgewogen werden. Wir gehen davon aus, dass die DEZA bei der Ergänzung der Liste von Schwerpunktländern genau diese Abwägung vorgenommen hat. Vor diesem Hintergrund ist die Wiedereröffnung eines Programms der DEZA in Kolumbien bei gleichzeitigem Ausstieg des SECO aus Kolumbien nicht schlüssig. Ebenso ist es fraglich, ob die SECO-Programme in Marokko auf mittlere Frist dieselbe Wirkung erzeugen, wie bisher im Schwerpunktland Kolumbien.

3. Unterstützen Sie die vorgeschlagene Mittelzuweisung für die Ukraine (vgl. Ziff. 3.4 des erläuternden Bericht?

Angesichts der massiven Bedrohung durch diesen Krieg und die sich dadurch augenfällig verschiebenden geopolitischen Gewichte vertreten wir klar die Position, dass die Schweiz die Ukraine in wesentlich höherem Mass und in den relevanten Ansatzpunkten – Stichwort Handelsdrehscheibe für russische Rohstoffe und Finanzplatz – unterstützen soll, als sie es bisher getan hat. Gleichzeitig finden wir kein sachlich abgestütztes Argument, das die Verschiebung von 1,5 Milliarden CHF auf Kosten der ärmsten Bevölkerungsgruppen aus dem Etat der EZA-Gelder rechtfertigt. Im Gegenteil, dieselben Bevölkerungssegmente, für welche die Schweizer Entwicklungspolitik nun weniger Geld zur Verfügung stellt, geraten infolge dieses Krieges massiv stärker unter Druck. Die Errungenschaften der Millenniumskampagne werden mutwillig aufs Spiel gesetzt, Armut, Hunger sowie alle negativen Folgeerscheinungen werden zunehmen. Die Verschiebung von wesentlichen Mitteln unterläuft die durch die EDA-Strategie geforderten Bemühungen, Länder in Entwicklungsregionen bei der Erreichung der Nachhaltigkeitsziele zu unterstützen.