Die Bedeutung von Verarbeitung und Handel für ein nachhaltiges Ernährungssystem

Artisanal cheese production
Handwerkliche Käseproduktion. Foto: shutterstock.com/FreeProd33


Die Verpflichtung zu einer nachhaltigen Landwirtschaft ist in der Schweizer Bundesverfassung verankert. Gleichzeitig wird wegen den unter Preisdruck stehenden Landwirtschaftsbetrieben oft folgende Strategie empfohlen: die Produktivität und Effizienz zu steigern, sich zu spezialisieren und in kapitalintensive Technologien zu investieren. Diese industrielle Logik kann dazu führen, dass landwirtschaftliche Flächen von der Produktion entkoppelt und saisonale Zyklen «ausgeschaltet» werden.

Umfassende Veränderungen sind im ganzen Ernährungssystem nötig

Um die teils massiven ökologischen und sozialen Folgeprobleme zu überwinden, die so entstehen, braucht es eine umfassende Transformation des ganzen Ernährungssystems in Richtung Nachhaltigkeit. Dabei reicht der Fokus auf die landwirtschaftliche Produktion alleine nicht aus. Diese ist auf entsprechende Veränderungen in den Sektoren angewiesen, die ihr vor- und nachgelagert sind. So verstärken zum Beispiel die Konzentrationsprozesse bei den Verarbeitern und dem Handel den ohnehin zunehmenden Preisdruck durch die globalen, sich öffnenden Agrarmärkte, so dass in manchen Fällen die Produktionskosten der Landwirt*innen nicht mehr gedeckt werden können. Aber auch die Mengenanforderungen, Liefer- und Abnahmebedingungen beeinflussen die Art der Produktion.

Während die negativen Auswirkungen der industrialisierten Landwirtschaft und des internationalen Agrobusiness bereits vermehrt untersucht werden, liegen über die Wechselwirkungen zwischen landwirtschaftlicher Produktion und den nachgelagerten Sektoren vergleichsweise wenig Studien vor. Weiter fehlen umfassende Untersuchungen, welche Bedeutung das unter Druck stehende Ernährungshandwerk auf Nachhaltigkeit in der landwirtschaftlichen Produktion hat.

Projektziele und Geltungsbereich

Das Projekt «Die Bedeutung von Verarbeitung und Handel für die Entwicklung eines nachhaltigen Ernährungssystems» leistet einen Beitrag zum besseren Verständnis dieser Interdependenzen. Es zeigt Massnahmen und Lösungen auf, wie die aktuellen Verhältnisse in den nachgelagerten Sektoren verändert werden können, damit die Landwirtschaft nachhaltiger und diversifizierter als heute produzieren kann.

Das Projekt konzentriert sich auf die Wertschöpfungsketten von Milch und Fleisch unter Einbezug von Produzentinnen und Produzenten, dem verarbeitenden handwerklichen wie auch industriellen Gewerbe – Molkereien, Käsereien, Schlachthöfe und Metzgereien – sowie dem Detailhandel und den Discountern in der Schweiz.

Forschungsansatz

Das Projekt ist transdisziplinär und bezieht verarbeitende Industrien mit grossen und kleineren Marktanteilen ebenso ein wie lokale KMU, Landwirt*innen und Verbände von Verarbeitenden und Produzent*innen. Es untersucht in einem Mixed-Method-Ansatz die folgenden Forschungsfragen:

  • Welches sind die wesentlichen Marktstrukturen und Organisationsformen im nachgelagerten Sektor?
  • Welche Rückwirkung haben diese auf die landwirtschaftliche Produktionsweise?
  • Welche Veränderungen braucht es bei den Strukturen, Zuliefer- und Abnahmebedingungen, bei Verarbeitenden und Handel, damit sich eine diversifizierte, ökologische Landwirtschaft fördern lässt?
  • Welche rechtlichen Rahmenbedingungen behindern eine nachhaltige Entwicklung im Ernährungssektor; welche begünstigen den Strukturwandel und die Konzentrationsprozesse?
  • Welche Anpassungen der Rahmenbedingungen sind nötig, um vielfältigere Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen zugunsten einer ökologischen Landwirtschaft zu unterstützen?
  • Wie können bereits vorhandene vorteilhafte Strukturen und Funktionsweisen im nachgelagerten Sektor erhalten und gefördert werden?
Foto: Luisa Kubioka


Kick-off Workshop zum Fleischsektor, 27. Juni 2022

Die Nutztierhaltung und Fleischproduktion in der Schweiz sind nur nachhaltig und zukunftsfähig, wenn es gelingt, die grossen Aufgaben in Bezug auf Klima und Umwelt erfolgreich zu meistern. Könnte dies erreicht werden, indem der Ansatz einer standortgerechten landwirtschaftlichen Produktion konsequent umgesetzt würde? Und welchen Beitrag kann der nachgelagerte Sektor – die Verarbeitung und der Handel – leisten, um eine nachhaltige Produktion zu ermöglichen?

Diesen Fragen sind am 27. Juni 2022 an der Universität Bern zahlreiche Vertreter*innen unterschiedlicher landwirtschaftlicher Produzenten- und Dachverbände, des Bundesamts für Landwirtschaft, des Viehhandels, der grossindustriellen und gewerblichen Verarbeitung sowie Landwirt*innen an einem Ganztagesworkshop in Bern nachgegangen.

Infobox
Dauer  März 2021 – Mai 2025
Finanzierung  Stiftung Mercator Schweiz
Kontakt  Bettina Scharrer