Die traditionelle Bewässerung ist eine jahrhundertealte Praxis, die ein optimales Wachstum der Kulturpflanzen anstrebt. In den Ebenen wie auch an Hanglagen nutzt sie gezielt die Schwerkraft und manuell angelegte Infrastrukturen wie Kanäle und Gräben, um Wasser aus Quellen, Gletschern oder Bächen näher an bewirtschaftete Flächen zu führen.
Durch Stauung des Wassers wird ein Überlauf geschaffen. Damit können landwirtschaftliche Flächen berieselt werden. Gleichzeitig wird so auch eine Bodenbildung und Düngewirkung erzielt. Die Bewässerung ist eine aufwändige, auf grosser Erfahrung beruhende Tätigkeit.
Mehr als nur Bereitstellung von Wasser
Die Praxis der traditionellen Bewässerung geht aber weit über die reine Bereitstellung – Fassung, Weiterleitung und Verteilung – von Wasser hinaus: Sie ist ein komplexes sozio-ökologisches System, bei dem Faktoren wie kollektive Organisationsformen mit festgelegten Regeln oder Praktiken ebenso wichtig sind. Dazu zählen:
- Zuteilung des Wassers,
- Rechte und Pflichten der Nutzenden,
- die stete Erneuerung des über Generationen weitergegebenen Wissens,
- die kulturelle Verankerung in lokalen und regionalen Identitäten und Traditionen.
Mosaik von Landschaften und Lebensräumen
Nebst ihrer primären landwirtschaftlichen Bedeutung hat die traditionelle Bewässerung viele weitere Funktionen. Dank dem Bau von Kanälen, Schleusen oder Schöpfrädern und der Stau- oder Hangbewässerung entstand vielerorts ein Mosaik von trockenen und feuchteren Standorten, artenreichen Flächen und eine Vielzahl von Lebensräumen und Landschaftsqualitäten. Die Bewässerungslandschaften bieten zudem ein attraktives Landschaftserlebnis und werden entsprechend auch vermehrt touristisch genutzt.
Wichtige Funktionen für Berggebiete
In gebirgigen Regionen befeuchten Wasserkanäle den Bergwald und stabilisieren dadurch die Hänge, liefern Wasser zur Waldbrandbekämpfung und dienen durch die Regulierung und Ableitung von Oberflächenwasser der Hochwasserprävention.
Die spektakulären Bauten, die meist gemeinschaftlich organisierte Bewirtschaftung und die traditionelle Technik der Hangbewässerung sind aber auch wertvolle Zeugen der Kulturgeschichte. Sie haben daher eine wichtige Bedeutung für die regionale Identität und sind ein wertvolles Kulturerbe.
Immaterielles Kulturerbe der UNESCO
Die UNESCO hat am 5. Dezember 2023 das umfangreiche Wissen rund um traditionelle Bewässerung in die «Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit» eingetragen. Beteiligte Länder sind Belgien, Deutschland, Italien, Luxemburg, Österreich, die Niederlande und die Schweiz.