«Wir dürfen uns nicht davor scheuen, eine politische Wissenschaft zu betreiben»

Das Superwahljahr 2024 hat Autokraten an die Macht gespült und nationalistische Parteien gestärkt. Vor allem mit der Wahl Trumps brechen auch die Säulen der bisherigen Weltordnung weg. Was bedeutet das für die Ziele der nachhaltigen Entwicklung und die Nachhaltigkeitswissenschaften selbst? Und wie kommen wir da wieder raus? Ein Gespräch mit CDE-Board Member Anna-Katharina Hornidge, Direktorin des German Institute of Development and Sustainability (IDOS) sowie CDE-Direktorin Sabin Bieri.

Anna-Katharina Hornidge and Sabin Bieri
Anna-Katharina Hornidge und Sabin Bieri


Interview: Gaby Allheilig

Multilateralismus, freiheitliche Rechtsordnungen, demokratische Prozesse – sie alle scheinen Schnee von gestern zu sein. Obschon diese Konzepte vor allem auf westlichen Werten/Perspektiven beruhen, ziehen sich jetzt viele reiche Länder aus ihrer globalen Verantwortung zurück. Was heisst das für die nachhaltige Entwicklung?

Anna-Katharina Hornidge: In vielerlei Hinsicht ist das, was wir beobachten, eine sich zuspitzende Auseinandersetzung mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und ihrer Ziele. Schon der Global Sustainable Development Report 2023 wies auf die zu erwartenden Spannungen (turmoil) um die Transformationsprozesse zur Nachhaltigkeit hin. Denn dabei geht es um einen tatsächlichen Strukturwandel: Transformationen in Richtung Klimastabilisierung zu gestalten – und das auf eine sozialgerechte Weise – bedeutet im Endeffekt auch eine globale Umverteilung. Dass das nicht ohne Widerstand geht, war zu erwarten.


Was jetzt geschieht, geht aber über Spannungen hinaus. Es ist auch ein Kulturkampf, in dem sich grosse Teile von Wählerinnen und Wählern hinter nationalistische Tendenzen und gegen die Nachhaltigkeitsziele an sich stellen, obwohl sie zum Teil gar nicht zu den Verlierern der Transformationsprozesse gehören. Hier liegt eine der ganz grossen Herausforderung der Nachhaltigkeits- und der Entwicklungs-Community: Sich zu überlegen, wie wir die breite Masse erreichen.

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«Die sozialen Ungleichheiten sind ein Treiber für die verstärkte Zuwendung zu rechtsnationalistischen Positionen»

Sabin Bieri
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Sabin Bieri: Man könnte versucht sein, zum Schluss zu kommen: Offenbar haben die Bewegungen für Nachhaltigkeitstransformationen ein gewisses Momentum erreicht. Die Bedrohungslage für die Gegenkräfte ist so gross geworden, dass sie sich zur Wehr setzen. Tatsächlich kann man sich ja nur darüber wundern, dass die Nachhaltigkeitsdebatte – und die Genderdebatte als ein Teil davon – so einflussreich gewesen sein sollen, dass sich jetzt ganze Regierungen dafür einsetzen, bestimmte Wörter aus den Dokumenten zu streichen.


Aber man kann in den jetzigen Entwicklungen auch das letzte Aufbäumen eines Systems sehen, das aus dem letzten Jahrhundert stammt und dessen zunehmende Zerfallserscheinungen wir gerade auch aus den Nachhaltigkeitswissenschaften thematisiert haben.

Zum Beispiel?

Sabin Bieri: Etwa die soziale Ungleichheit. Sie ist sicher ein Treiber für die verstärkte Zuwendung von Teilen der Bevölkerung zu rechtsnationalistischen Positionen. Oder das damit verknüpfte Problem des statusbedingten Überkonsums.


Anna-Katharina Hornidge: Wir haben auf sehr vielen Ebenen immer wieder auf den Reformbedarf hingewiesen, auch bei den multilateralen Strukturen. Diese befinden sich nicht erst jetzt, sondern seit vielen Jahren in der Krise. Ich denke etwa an die Reformprozesse der letzten zwei Jahre auf Ebene der internationalen Finanzinstitutionen: Da hat sich zwar etwas bewegt, aber es stellt sich nun die Frage, wie nachhaltig das war.

Wie meinen Sie das?

Anna-Katharina Hornidge: Vor zwei Jahren noch ertönte bei der Weltbank der Ruf nach «Bigger and Better Bank», wobei unter Better Bank gemeint war, das Mandat der Entwicklungsbanken, Armut zu bekämpfen durch das Vorgehen gegen Klimawandel und Artensterben zu ergänzen. Wenn die Weltbank nun darüber nachdenkt, ihr Klima-Referat abzuschaffen, stellt sich die Frage, ob das wirkliche Strukturreformen waren oder vielleicht doch nur Kosmetik.


Auch bei den Vereinten Nationen gibt es seit langem Reformbedarf. Vor allem die Blockade des UN-Sicherheitsrats führt dazu, dass dieser der Machtkonstellation einer multipolaren Weltordnung nicht mehr entspricht. Das hätte man schon vor 30, 40 Jahren anerkennen müssen. Daher ist es wichtig, sich zu fragen: Haben diese disruptiven Einschläge momentan vielleicht auch ein Reformpotenzial in sich oder sind sie nur destruktiv?

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«Wir sehen Formen der Selbstzensur – was mindestens so gefährlich ist wie die Zensur selbst»

Anna-Katharina Hornidge
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Wie lautet Ihre Antwort darauf?

Anna-Katharina Hornidge: Momentan sehen wir nur das Destruktive und kurzfristig gesehen überwiegt das klar. Gleichzeitig müssen wir zugeben, dass die Reformversuche der letzten 20 Jahre nicht das geliefert haben, was notwendig wäre, und was viele Länder des Südens eingefordert haben.


Aber – und da komme ich auf das zurück, was Sabin über die Zensur von bestimmten Wörtern gesagt hat: Es ist sehr gefährlich, was da gerade passiert. Allein mit den Listen, was gesagt werden darf und was nicht, verschieben sich die Diskursräume. Da werden Begriffe von den Websites genommen oder im deutschen Kontext der Genderstern. Das sind Formen der Selbstzensur – was mindestens so gefährlich ist wie die Zensur selbst.

Die neue US-Regierung hat ihre Entwicklungsagentur innert kürzester Zeit praktisch zerschlagen. Aber auch viele europäische Länder streichen massiv bei der Entwicklungszusammenarbeit, darunter die Schweiz und Deutschland. Was sagen Sie den Leuten, die – analog zu «America first» – finden, die Schweiz bzw. Deutschland müssten jetzt ihre eigenen Interessen bedienen?

Anna-Katharina Hornidge: Ein Argument, das man momentan häufig hört, ist ja: «Alle andern streichen auch – warum sollten wir nicht?» Wenn ich das mal so offen sagen darf: Diese Argumentation finde ich lächerlich. Also, weil die anderen von der Brücke springen, springen wir alle hinterher? Das sollte nicht das Motto von Politikgestaltung sein. Auf sachlicher Ebene gibt es sehr wichtige Gründe, die gegen die Kürzungen der Entwicklungsetats sprechen – angefangen damit, dass wir gerade aus europäischer Sicht auf Allianzen und Partnerschaften angewiesen sind. Europa ist, verglichen mit dem globalen Kontext, ein Zusammenschluss kleiner Länder.


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«Kooperative Beziehungen fallen nicht vom Himmel, sondern müssen gestaltet werden»

Anna-Katharina Hornidge
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Man kann es ökonomisch, politisch oder auch militärisch anschauen: Ob Europa künftig in einer multipolaren Welt selbst noch ein Pol sein wird, wissen wir nicht. Aber wir wissen, dass unser Reichtum, der die Basis für unsere Stellung in der Welt ist, auf kooperativen Beziehungen und nicht auf Abgrenzung beruht. Diese Kooperation fällt nicht vom Himmel, sondern muss gestaltet werden – mit Hocheinkommensländern genauso wie mit Mittel- und Niedrigeinkommensländern auf allen Kontinenten. Das ist umso wichtiger, als wir demografisch ein alter Kontinent sind.

Sabin Bieri: Wir profitieren von einer kooperativen Weltordnung – und zwar alle. Weil wir ein alter Kontinent sind, müssen wir uns fragen, wer künftig unsere Infrastruktur erhält, unsere hochbetagten Menschen pflegt, etc. Europa läuft in einen gigantischen Arbeitskräftemangel hinein. Es ist mir bewusst, dass man sich schnell auf dünnem Eis bewegt, wenn man sich vorstellt, wie das konkret funktionieren soll: Aber wir sind gut beraten, Partnerschaften auf Augenhöhe mit den Ländern zu pflegen, in denen viele junge Menschen auf den Arbeitsmarkt drängen.


Anna-Katharina Hornidge: Ja, und auch wenn es um die Stabilisierung von Nachbarschaftsregionen Europas geht – Subsahara-Afrika, die Sahelregion oder Osteuropa – so haben wir ebenfalls ein Interesse an einer Zusammenarbeit mit diesen Ländern. Das sollte man den Kritikern von Entwicklungsgeldern aufzeigen. Gleichzeitig liegt es aber auch in unserem Eigeninteresse, wie wir mit den grossen globalen Herausforderungen wie Klimawandel, Biodiversitätsverlust, Umweltverschmutzung umgehen. Und natürlich ist da auch noch das Argument, dass wir unseren Reichtum nicht allein unserem heutigen Tun verdanken, sondern auch unserer Geschichte – unserer Kolonialgeschichte. Da stehen wir in der Verantwortung, die sich in eine klare Logik der Solidarität übersetzen lässt.

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«Wenn wir es nicht anders hinbekommen, als den Sündenbock in den Armen dieser Welt zu finden, ist das ein Armutszeugnis»

Anna-Katharina Hornidge
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Sabin Bieri: Ein weiteres Argument ist, dass die Kürzungen der Entwicklungsgelder ein falsches Licht auf die Entwicklungszusammenarbeit werfen. In den allermeisten Fällen wurde da gute Arbeit geleistet und engmaschig überprüft. Es wurden wichtige Ergebnisse erzielt wie die Reduktion von Armut, Kindersterblichkeit oder der Malaria. Solche Errungenschaften sind nun direkt gefährdet, wenn wir alle diese Rückzugsbewegung nachvollziehen und Dinge preisgeben, auf die jahrzehntelang hingearbeitet wurde. Wenn wir uns einfach aus der kollektiven Verantwortung, nämlich dass alle Menschen ein Recht auf ein würdevolles Leben haben, verabschieden und meinen, wir seien nicht zuständig, finde ich das erbärmlich.


Anna-Katharina Hornidge: Dem stimme ich sehr zu. Die Kürzungen der Entwicklungsetats lassen sich auch als Sündenbock-Politik lesen. Nehmen wir das Budget des deutschen Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, das die soziale Absicherung der deutschen Gesellschaft wie Rentenzahlungen, Arbeitslosengelder, Sozialversicherungen beinhaltet. Dieser Etat ist um mehr als das Fünfzehnfache höher als das Entwicklungsbudget. Und um den real vorhandenen sozialen Ängsten der Menschen in Deutschland zu begegnen, sagt man nun: «Dann kürzen wir doch fünf Milliarden beim Entwicklungsetat; das sind ja keine Wählerinnen und Wähler von uns.» Diese Politik weist im Grunde genommen das gleiche Muster auf, wie wenn man die Sündenböcke in einer ethnischen oder religiösen Gruppe sucht. Wenn wir es in unserem Reichtum nicht anders hinbekommen, als den Sündenbock in den Armen dieser Welt zu finden, ist das wirklich ein Armutszeugnis.

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«Es ist eine wichtige Aufgabe der Wissenschaft, eine gut reflektierte Politikgestaltung zu ermöglichen»

Anna-Katharina Hornidge
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Angesichts der jüngsten Entwicklungen, die die Welt in «Unordnung» gebracht haben, stellt sich die Frage, welche Rolle die Wissenschaft hat, immer mehr. Was kann und was muss Wissenschaft leisten, damit wir wieder an die Ziele einer Agenda 2030 anknüpfen können und die Menschen die Hoffnung auf eine lebenswerte Zukunft nicht verlieren?

Anna-Katharina Hornidge: Obschon die Diskussion über die Agenda 2030 in den letzten Jahren oft darin mündete, dass wir nicht da stehen, wo wir sein sollten und wollten, gab es Fortschritte – und das trotz Pandemie und Kriegen. Das sollten wir stärker betonen und daran andocken. Ich bin überzeugt, dass es eine der wichtigen Aufgaben der Wissenschaft ist, zu informieren und eine fakten- und evidenzbasierte, gut reflektierte Politikgestaltung zu ermöglichen. Sie hat den Auftrag, Politikfelder wie Klima, Nachhaltigkeit, Gesundheit, Handel, etc. so zu beraten, dass diese eine nachhaltige Entwicklung im Sinne der Agenda 2030 gestalten können. Beispielsweise, dass in der Gesundheitspolitik Sozialgerechtigkeit, Ökologie und Ökonomie zusammengedacht werden. Hier braucht es Wissenschaft mehr denn je – auch damit die internationale regelbasierte Ordnung nicht ganz zerbricht.


Damit meine ich allerdings nicht einen autoritären Ansatz wie «Die Wissenschaft sagt und die Politik macht». Vielmehr geht es darum, die Schnittstellen zwischen Wissenschaft, Politik und Gesellschaft sachorientiert und kooperativ auszugestalten. Hier sehe ich eine weitere, sehr wichtige Aufgabe der Wissenschaft: Die Menschen – vor allem Junge – zu wissens- oder sachorientiertem Arbeiten auszubilden bzw. zu befähigen, so dass sie merken, dass auch sie mit ihrem Beitrag und in ihrem Umfeld einen Unterschied machen können.

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«Die Wissenschaft muss sich einen Ruck geben und auch all die positiven Entwicklungen beleuchten»

Sabin Bieri
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Sabin Bieri: Das sehe ich auch so. Die Wissenschaft selbst ist ja auch in die Schusslinie der aktuellen Verwerfungen geraten und wenn man es schematisch betrachtet, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man geht in die Defensive und konzentriert sich quasi auf die «Kernaufgabe», möglichst weit weg von irgendwelchen Politikbereichen Wissen zu erarbeiten. Oder man geht, wie du es beschrieben hast, in die Offensive. Wir können die Datenorientierung für öffentliche Debatten weiter verstärken, was ich nach wie vor sehr erhellend finde, weil Daten uns oft etwas anderes erzählen als unser Bauchgefühl.


Aber ich denke, die Wissenschaft muss sich einen Ruck geben und auch all die positiven Entwicklungen beleuchten, die es ja gibt. Zeigen, wo wir Grund zum Aufatmen haben und wo sich neue Möglichkeiten eröffnen, um die Zukunft zu gestalten. Die Herausforderung besteht darin, die Menschen abzuholen. Wir müssen uns fragen: Wie bringen wir die Messages an die Leute? Wie schaffen wir Anknüpfungspunkte an ihre alltäglichen Erfahrungen? Wie und bis zu welchem Grad vereinfachen wir? Dafür gibt es zahlreiche methodische Beiträge, wie zum Beispiel aus unserer transdisziplinären Arbeit. Hier sehe ich ein grosses Potenzial. Und dann ist Wissenschaft ja auch das Feld der Innovation. Das gibt uns konkrete Möglichkeiten, Situationen zu verändern oder zu verbessern – gerade für gesellschaftliche Gruppen, die sonst weniger gut dastehen.

Meinen Sie technologische Innovationen?

Sabin Bieri: Nicht nur. Bei den technischen und technologischen Innovationen sorge ich mich nicht, weil da die Rahmenbedingungen vermutlich auch in Zukunft stimmen werden. Es geht mir vor allem um soziale Innovationen, die nötig sind, um die grossen Herausforderungen anzugehen, und um die Stärkung von transformativen Kräften. Da wartet auf die Wissenschaft noch viel Arbeit.


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«Wir müssen uns in den Nachhaltigkeitswissenschaften und Entwicklungsforschung auf einen Marathon einstellen»

Anna-Katharina Hornidge
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Anna-Katharina Hornidge: Den Punkt mit der konstruktiven bzw. kritisch-konstruktiven Wissenschaft finde ich sehr wichtig. Einerseits ist das im Umgang mit Nachwuchskräften relevant, weil wir uns in den Nachhaltigkeitswissenschaften und Entwicklungsforschung auf einen Marathon einstellen müssen, wo es positive Momente braucht. Andererseits teile ich die Meinung, dass wir uns nicht davor scheuen dürfen, eine politische Wissenschaft zu betreiben. Dabei geht es nicht um partei- oder geopolitisierte Wissenschaft, sondern eine Wissenschaft, die zur Politikgestaltung beiträgt. Das zu unterscheiden, halte ich für eine wichtige Debatte, der wir uns stellen müssen.


Wo sehen Sie Chancen und Aufgabenfelder für das IDOS und das CDE – und was gibt Ihnen Hoffnung?

Sabin Bieri: Ich denke, wir müssen die Ziele hoch stecken. Vor 20, 30 Jahren war das CDE ein Pionier der Nachhaltigkeitsforschung. Dann begannen viele andere auch mitzuspielen. Das ist an sich wünschenswert, weil es zeigt, dass die Themen angekommen sind und das, was wir machen, auf Resonanz stösst. Aber für uns bedeutet es auch eine Herausforderung, unsere Rolle wieder neu zu finden. Der Anspruch Front Runner zu bleiben oder wieder zu werden, ist mir wichtig. Wir – und IDOS sowieso – sollten diejenigen sein, wo sich andere Orientierung holen, gerade in einer Zeit, die stark von Verwerfungen und Destruktionen geprägt ist. Welche Weichen wir stellen und welche Ziele wir uns setzen, haben wir in unserer neuen Strategie formuliert. Da geht es um politische Wissenschaft, echte Wissenspartnerschaften und Wissenschaft als Instrument der Zukunftsgestaltung. Es liegt an uns, diese Ansprüche zu konkretisieren und mit unseren Teams zu zeigen, was das heissen kann.


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«Unsere Partnerschaften mit dem globalen Süden ermöglichen es, tragfähige Lösungen für die Zukunft zu erarbeiten»

Sabin Bieri
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Das gibt mir Auftrieb: Wir haben bisher viel erreicht, gute Teams aufgebaut und viele junge Menschen ausgebildet. Da steckt Kraft drin. Zudem haben CDE und IDOS den Vorteil, dass unser Fokus schon immer in unseren Partnerschaften mit dem globalen Süden lag, der jetzt zu einer kritischen Grösse wird. Sie ermöglichen es, beispielsweise indigenes Wissen zu mobilisieren, um tragfähige Lösungen für die Zukunft zu erarbeiten. Das müssen wir verstärken, um die Herausforderungen bewältigen zu können. 

Anna-Katharina Hornidge: Bei uns laufen ja die Diskussionen über die Rolle Deutschlands angesichts der disruptiven Entwicklungen, gerade auch mit Blick auf die nicht vorhandenen militärischen Möglichkeiten. Da versuche ich in die Debatte zu tragen, dass es für eine Zivil- und Wirtschaftsmacht wie Deutschland Zeit braucht, um sich nach 80 Jahren militärisch zu emanzipieren. Damit einher gehen die zivile Konfliktprävention und alle Formen der kooperativen Mittel, Partnerschaften auszugestalten und mit der Welt im Austausch zu stehen. Ich denke, es ist unheimlich wichtig, sich als liberale Demokratie mitten in Europa für demokratische Werte und Regeln einzusetzen und das auch in die Welt zu tragen.


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«Wir stehen für eine kooperative multipolare Welt ein, die das Potenzial einer grösseren Gleichheit und mehr Gerechtigkeit birgt»

Anna-Katharina Hornidge
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Ähnlich sehe ich das auch für IDOS oder für das CDE. Die Zeiten sind so, dass es Institutionen wie unsere braucht, die sowohl innerhalb der Wissenschaft als auch an den Schnittstellen von Wissenschaft, Politik und Gesellschaft verankert sind und die über transregionale Partnerschafts-Netzwerke mit unterschiedlichen Akteuren verfügen. Wir stehen für eine kooperative multipolare Welt ein, die das Potenzial einer grösseren Gleichheit und mehr Gerechtigkeit birgt. Und wir bringen uns ein in das Erdenken und die Mitgestaltung von nachhaltigen Zukünften. Darauf ist unsere Institutsstrategie am IDOS ausgerichtet.

Und was gibt Ihnen Auftrieb?

Es ist wichtig, sich auch immer wieder vor Augen zu führen, wie schön das Leben ist, und dass eine Welt ohne Lebensfreude überhaupt nicht lebenswert wäre. Wir setzen uns ja eben nicht nur für eine Welt innerhalb der planetaren Grenzen ein, wo rein naturwissenschaftlich betrachtet menschliches Leben weiterhin möglich ist. Sondern wir setzen uns auch für eine Welt ein, in der Lebensfreude und Kultur möglich sind und gelebt werden.